Vorurteile Beispiele Menschen
An prominenten Stellen in der DDR kann er mehrere Gaststättenbauten ausführen, deren skulpturale Formgebung baukünstlerische Kontrapunkte im Umfeld der benachbarten Plattenbausiedlungen setzt. Poetische Namen unterstreichen dabei deren identitätsstiftende Wirkung. Im Streben der DDR-Regierung nach nationaler Akzeptanz und internationaler Reputation trägt Müther mit seinen Bauten dazu bei, der DDR architektonisch zu baukultureller Geltung zu gelangen. Mit dem Bau des Juri-Gagarin-Raumflugplanetariums in Cottbus beginnt 1974 eine langjährige Zusammenarbeit mit dem VEB Carl Zeiss Jena. Für zahlreiche Planetariumsbauten errichtet Müther Kuppelkonstruktionen in selbsttragender Betonschalenbauweise. Als die DDR-Regierung Planetarien gegen Devisen und Sachlieferungen in westeuropäische und arabische Länder verkauft, betreut Müther vor Ort die Ausführung der Bauvorhaben und entfaltet eine ausgedehnte Reisetätigkeit. Dabei bleibt er immer parteilos. Im sozialistischen Wirtschaftssystem der DDR agiert Müther quasi als freier Unternehmer, der Betrieb zählt zeitweise über 100 Angestellte.
Dabei kooperiert er auch mit Forschungsinstitutionen der DDR und lässt im Rostocker Institut für Schiffbau für seine Konstruktionen neuartige Computerberechnungen erstellen. Im Bauschaffen der DDR nimmt Müther mit seinen innovativen Bauprojekten eine Sonderstellung ein. Dadurch kann er die Eingliederung des Betriebs in ein Kombinat vermeiden. Im Zuge einer Verstaatlichung wird Müther 1972 als Direktor des in VEB Spezialbetonbau Rügen umbenannten Bauunternehmens eingesetzt. Die von ihm perfektionierte Bauart der Hyparschale kommt in zahlreichen Städten der DDR als Dachtragwerk für Gewerbe- und Ausstellungshallen zum Einsatz, was nicht nur an der materialsparenden Konstruktion liegt, sondern ebenso an ihrer prägnanten Formensprache. Während Müther bei den Rostocker Projekten mit Erich Kaufmann kooperiert, dem Hausarchitekten des örtlichen Wohnungsbaukombinats, übernehmen in anderen Städten lokale Architekten die entwurfliche Umsetzung. Formbestimmend sind jedoch stets die von Müther konzipierten Schalendächer.
Sein Erstlingswerk für die Diplomarbeit, der Speisesaal vom "Haus der Stahlwerker" in Binz (1963-64 errichtet), wurde 2002 abgerissen. Nur fünf Jahre, von 1985 bis 1990, existierte die Eingangshalle mit drei Schalendächern am Thälmann-Heim in Binz. Und der Rettungsturm 2 in Binz, der in Zusammenarbeit mit dem Architekten Dietrich Otto gebaut wurde, ist 1993 im Zuge des Seebrücken-Neubaus geschliffen worden. Dieses Schicksal ereilte auch das legendäre und denkmalgeschützte Ahornblatt in Berlin, die Schülergaststätte in Bergen-Süd, die Buswartehalle in Dranske oder der hölzerne Musikpavillon neben der Störtebekerbühne. Themenwoche ULRICH MÜTHER 19. -25. September 2020 Ausstellung | Touren | Vorträge | Film | Kunst Erinnerungen an Leben und Werk des Binzer Baumeisters Ulrich Müther >> Programm zur Müther-Woche
Infolge der Wiedervereinigung wird das Unternehmen 1990 an ihn zurückübertragen, das er nun unter dem Namen Müther GmbH Spezialbetonbau betreibt. Da in der Nachwendezeit jedoch keine Nachfrage mehr nach weit spannenden Betonschalenkonstruktionen besteht, kann er keine selbst projektierten Bauten mehr realisieren. Im Umfeld der nach der Wende schwierigen wirtschaftlichen Lage in Ostdeutschland muss Müther 1999 Konkurs anmelden und sein Bauunternehmen aufgeben. Als Präsident des Bauindustrieverbandes von Mecklenburg-Vorpommern sowie als Referent bei Fachtagungen und Lehrveranstaltungen bleibt seine Expertise aber auch weiterhin gefragt. Nach der Aufgabe seines Betriebs betreut Müther eine 1995 in Erinnerung an seinen verstorbenen Sohn gegründete Stiftung, mit der er Segeltörns für asthmakranke Kinder organisiert. Sein Planarchiv übergibt er 2006 der Hochschule Wismar. Nach längerer Krankheit verstirbt Ulrich Müther im Alter von 73 Jahren. Mit seinen innovativen Flächentragwerken, deren expressive Formenwelt den Gesetzmäßigkeiten der Mathematik und Geometrie entspringt, zählt er zu den Pionieren des Betonschalenbaus.